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Das unmögliche Instrument

Schon der Name ist falsch. Es heißt "kleiner Violone" und ist doch eine "große Geige". Cellospielen ist geigen, nur größer und falschrum. (Das kommt wahrscheinlich daher, dass die virtuosen Cellisten zu nennenswerten Teilen (großgewachsene?) Geiger waren. Oder Allrounder, die beim Cello hängenblieben.) 

Abstrich ist nur bei der Geige "ab" (beim Cello "rechts"), Aufstrich ist dementsprechend nur bei der Geige "auf" (beim Cello "links"). Von den insgesamt etwa 500 Kindern, deren erstem Strich auf einem Cello ich beiwohnen durfte, starteten 500 mit einem kräftigen Aufstrich, und die meisten von ihnen hatten fortan die (violonenhafte) Tendenz, schwere Zeiten im Aufstrich zu spielen, was man ihnen oft jahrelang austreibt. Oder es führt zu splitternden Zusammenstößen im Orchester....

Die in der Literatur bei weitem am häufigsten genutzte höchste Saite ist beim Cello an der (vom Bogen aus) am schlechtesten erreichbaren Stelle (nämlich links), bei der Geige (wo sie wahrscheinlich eher weniger häufig vorkommt) ganz bequem rechts. Umbauen wäre eine Option, die aber verrückterweise höchstens von Linkshändern genutzt wird, da ja dann WIEDER falschherum spielen müssen!

Und das bekannteste Verkehrtherum: tiefer wird's oben und höher unten. (Glissandi spielen! Dann gewöhnt man sich dran. Und der Tipp mit der Schnecke, die am Boden kriecht, ist auch gut.)

Es kommt noch schlimmer, betrachtet man mal nur die Aufgaben der linken Hand: Fingersatztechnisch ist das Cello in den Halslagen Cello, 5. bis 7. Lage eher Geige, ab den Daumenlagen vielleicht sowas wie ein extrem anstrengendes Akkordeon?

Dabei muss man auf den Bruchteil eines Millimeters genau Töne treffen, die teilweise bis zu einem guten Meter auseinanderliegen. Treffen reicht nicht: Man muss dabei auch noch eine schmerzhafte Saite auf ein Griffbrett herunterdrücken, wobei der Abstand zwischen den beiden fieserweise genau da immer größer wird, wo es aufgrund der kürzeren Saite und des nicht mehr nutzbaren Daumen-Gegendrucks sowieso immer anstrengender wird.

Vollends irre wird es, wenn man versucht, zu erklären, woher man weiß, wo die Töne eigentlich sind auf diesem langen schwarzen Griffbrett, ein Problem, welches zugegebenermaßen von anderen bundlosen Mitleidenden geteilt wird. Die Antwort liegt vielleicht tatsächlich in der Anekdote, in der ein sehr bekannter zeitgenössischer Komponist (nicht Cellist!) gefragt wurde, wo eigentlich dieses von ihm komponierte fis oder wie auch immer liege, und er mit dem Zeigefinger auf eine bestimmte Stelle des Griffbretts deutete: Hier! (Und natürlich hat's gestimmt, der ist ja nicht für nix berühmt.) Also Optik? Der Vergleich mit dem Lichtschalter bei Nacht führt auch in diese Richtung, denn um ihn blind zu finden, hat man ihn ja x-mal sehend finden müssen. Ein Anhaltspunkt: Bei der Hälfte der schwingenden Saite ist die Oktave zur leeren Saite zu finden, bei der Hälfte der Hälfte die Doppeloktave usw., beim (oberen) Drittel die Oktave plus Quinte usw., aber wer ist so begabt in Geometrie, dass er daraufhin sämtliche anderen Töne quasi berechnet, auf den Zehntelmillimeter genau und in Bruchteilen von Sekunden?

 

Beim Bogen weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Eine der plakativsten Katastrophen ist vielleicht psychologischer Art: So wie Pferde anscheinend lieber in brennenden Ställen sterben als in die sichere Freiheit zu gehen, hat der Bogen die Tendenz, unter Stress nach oben auszuweichen, wo der Ton ebenfalls in akute Lebensgefahr gerät (denn Stress hat oft mit hohen Lagen und damit kurzen Saiten zu tun, welche eben nur Töne erzeugen, wenn der Bogen proportional dazu in Richtung Steg geht).

 

Aber viel banaler: Wie soll man diese 80 Gramm so halten, dass man diese göttlichen Töne produziert, auf die immer alle warten? Kaum hat man eine Methode des Bogengriffs zu konsequent angewendet, stimmt sie nicht mehr. Ich empfehle daher die immer neue Annäherung von vielen Seiten (siehe dort).

 

Undsoweiter.

 

Fazit: Cello ist ein unmögliches Instrument und Cello spielen ist für den Menschen, bei Licht betrachtet, genau so unmöglich, wie das Fliegen angeblich für die Hummel. Trotzdem tun es jeweils alle Hummeln und erstaunlich viele Menschen....